Wir leben im Zeitalter der Sensoren: Temperatur, Strom, Druck, Vibration – alles wird gemessen, überall. Doch während die Datenströme wachsen, bleibt die Wirkung gering. Die Industrie hat gelernt zu beobachten, nicht zu handeln. Etwa 70 – 80 % aller erfassten Daten bleiben ungenutzt. Sie werden gesammelt, visualisiert und verschwinden im Nirwana der Dashboards.
Wenn eine Trafostation überhitzt oder eine Kühlanlage ineffizient läuft, erscheint eine Warnung auf dem Bildschirm. Doch Alarme sind keine Reaktion. Laut Gartner werden über 60 % aller Alarmmeldungen in industriellen Leitständen ignoriert: zu viele, zu unklar, zu spät. Zwischen Alarm und Handlung liegt der Unterschied zwischen Stabilität und Stillstand.
Die Zukunft industrieller Steuerungssysteme liegt deshalb nicht in noch mehr Daten, sondern in Entscheidungsfähigkeit. Systeme müssen nicht nur sehen, sie müssen reagieren. Nachvollziehbar, sicher, in Echtzeit.
Wer bereits handelt
ABB Ability
ABB Ability ist die industrielle IoT‑Plattform von ABB, die weltweit in Energie‑, Fertigungs‑ und Infrastrukturbetrieben eingesetzt wird. In Deutschland nutzt etwa der Netzbetreiber Hamburg Energie eine ABB‑Ability‑basierte Lösung, um Spannungsschwankungen aus dezentralen PV‑Einspeisungen automatisch auszugleichen. Sensoren in Umspannwerken melden Temperatur‑ und Stromdaten in Echtzeit an die Plattform, die daraufhin ohne menschlichen Eingriff Lasten verschiebt oder Einspeisungen drosselt . In Finnland und den Niederlanden wird ABB Ability in Smart‑Grid‑Pilotprojekten eingesetzt, um Mittelspannungsnetze autonom zu stabilisieren.
Die Edge‑Komponente ABB Ability Edge Industrial Gateway verbindet Niedrig‑ und Mittelspannungsgeräte mit der Cloud, während die Analyse‑Suite ABB Ability Genix Maschinenzustände und Netzparameter auswertet.
In einem Testnetz in Helsinki konnte die Reaktionszeit auf kritische Überlastungen von mehreren Minuten auf unter 10 Sekunden reduziert werden. Der Energieverlust sank um 12 %.
Diese Kombination aus Edge‑Reaktionsfähigkeit und Cloud‑Analyse zeigt, wie sich Energieinfrastruktur vom Monitoring zur autonomen Handlung entwickelt.
Schneider Electric EcoStruxure™
EcoStruxure™ ist Schneiders mehrschichtige IoT‑Architektur, die Gebäude‑, Energie‑ und Fertigungssysteme verbindet. Besonders greifbar wird das im Retail‑Bereich: In über 1.000 Carrefour‑Märkten steuert EcoStruxure die gesamte Kälte‑ und Beleuchtungstechnik. Sensoren melden in Echtzeit den Energieverbrauch, während Regelalgorithmen die Lastverteilung dynamisch anpassen, indem zum Beispiel Kälteaggregate zeitlich versetzt anlaufen, um Lastspitzen zu vermeiden.
Das Resultat: bis zu 15 % weniger Energiebedarf und 25 % weniger Wartungsaufwand, weil sich Störungen früh erkennen lassen.
Auch im Bereich Rechenzentren und Büroimmobilien wird die Plattform eingesetzt: Bei der Boston Scientific‑Zentrale sorgt sie für die automatische Abstimmung von Klimaanlage, Lüftung und Licht. Ein digitaler Zwilling simuliert die Gebäudeperformance und gibt Empfehlungen, wodurch sich der CO₂‑Ausstoß jährlich um 120 t reduziert hat.
EcoStruxure steht damit exemplarisch für die Verbindung von Echtzeit‑Monitoring, prädiktiver Steuerung und Energieeffizienz auf Unternehmensebene.
OpenRemote (Open Source)
OpenRemote wird in mehreren europäischen Städten als offene IoT‑Plattform für urbane Infrastruktur genutzt. In Amsterdam und Rotterdam steuert das System Straßenbeleuchtung, Wasserpumpen und Luftqualitäts‑Sensorik dezentral. Das Framework läuft auf lokalen Edge‑Servern in Stadtteilen und regelt Parameter wie Lichtintensität oder Pumpzyklen selbständig, sobald Sensorwerte schwanken.
Die Plattform kombiniert offene Standards (z. B. MQTT, BACnet, Modbus) mit einer grafischen Regelengine, über die Stadtwerke eigene Automatisierungen definieren können.
In Rotterdam wurde z. B. das Regenwassermanagement digitalisiert: Füllstände von Speicherbecken werden erfasst, bei Starkregen öffnet oder schließt das System Ventile automatisch, um Überflutungen zu verhindern.
Das Ergebnis: 25 % weniger Wartungseinsätze und eine schnellere Entwässerung in kritischen Phasen.
OpenRemote zeigt, wie sich kommunale Infrastruktur ohne proprietäre Systeme smart, handlungsfähig und retrofitfähig gestalten lässt.
Siemens MindSphere + Industrial Edge
Siemens kombiniert mit MindSphere und Industrial Edge Cloud‑Analytik und lokale Reaktionsfähigkeit. Ein besonders greifbares Beispiel ist das BMW‑Werk Regensburg: Dort laufen mehrere hundert Maschinen über Industrial‑Edge‑Knoten, die Produktionsdaten in Echtzeit erfassen und Anomalien erkennen. Wird etwa eine Schweißstation überhitzt, greift das System lokal ein, senkt Parameter und meldet den Eingriff gleichzeitig an die Cloud zur Dokumentation. Die Stillstandszeiten sanken um 30 %, der Energieverbrauch der Linie um 10 %.
Ein weiteres Projekt läuft bei der Enel Group in Italien: Hier vernetzt Siemens Mittelspannungsanlagen mit Edge‑Kontrollern und MindSphere, um Wartungen vorausschauend zu planen.
Durch diese hybride Architektur – Edge für Echtzeit, Cloud für Auswertung – entsteht ein lern‑ und handlungsfähiges System, das Daten nicht nur sammelt, sondern direkt in Handlung übersetzt.
Honeywell Forge
Honeywell Forge ist eine cloudbasierte IoT‑Plattform, die in industriellen Großanlagen, Flughäfen und Produktionsumgebungen eingesetzt wird. Besonders greifbar wird das am Beispiel des Flughafen Toronto Pearson: Dort überwacht Forge sämtliche HLK‑Systeme, Beleuchtung, Rolltreppen und Energieverteilung.
KI‑gestützte Analysen erkennen Anomalien frühzeitig, bevor Störungen auftreten. Die Plattform schlägt automatisch Optimierungen vor und kann Prozesse eigenständig anpassen, etwa die Luftzirkulation in Abflugbereichen bei schwankenden Passagierströmen.
Das Ergebnis: 20 % weniger Energieverbrauch und 30 % schnellere Fehlerbehebung.
In der Industrie wird Forge u. a. von Phillips 66 in Raffinerien genutzt, um Anlagenzustände permanent zu überwachen; Sensor‑ und Prozessdaten fließen in prädiktive Modelle, die Wartungseinsätze automatisch planen.
Honeywell Forge zeigt eindrucksvoll, wie kritische Infrastrukturen durch datengetriebene Handlung und mit einem klar messbaren Return on Efficiency resilienter werden.
Hitachi Lumada
Lumada ist Hitachis digitale Innovationsplattform und wird in Japan, Europa und den USA in Industrie und Infrastruktur eingesetzt. In Japan arbeitet Hitachi mit der Tohoku Electric Power Company an einem Projekt, bei dem Sensor‑ und Betriebsdaten aus Umspannwerken analysiert und automatisch in Lastmanagementmaßnahmen übersetzt werden. So lassen sich Netzschwankungen in Echtzeit ausgleichen.
In der Stadt Yokohama wird Lumada im Smart‑City‑Programm genutzt, um Energieflüsse aus Solaranlagen, Batterien und Verbrauchern zu koordinieren. Dort führt die Plattform lokale Energiemärkte zusammen, priorisiert Eigenverbrauch und optimiert Netzbelastung. Der Energiebedarf aus dem Hauptnetz sank um bis zu 18 %.
In der Industrie setzt Hitachi Lumada in den eigenen Produktionsstätten ein: Bei Hitachi Metals werden Produktionsdaten, Materialflüsse und Wartungszyklen zentral verknüpft – Ausfallzeiten sanken um 30 %.
Lumada steht damit für ein System, das aus Daten und Erfahrung neue Entscheidungsintelligenz formt. Offen, skalierbar und partnerschaftlich.
Diese Beispiele verdeutlichen: Die Branche bewegt sich in Etappen. Jedes System zeigt Fortschritt, aber kein System löst den gesamten Übergang von Beobachtung zu Handlung durchgängig, auditierbar und herstellerunabhängig.
Viele der großen Anbieter – ABB, Schneider, Siemens, Honeywell – bieten produktisierte Plattformen, doch ihr Einsatz erfolgt meist im Rahmen größerer Projekte. Die Architektur ist modular, aber nicht leichtgewichtig. Kleinere Kunden benötigen Integratoren, um Funktionen zu aktivieren oder anzupassen. Systeme wie OpenRemote und Hitachi Lumada hingegen sind offener, teils Open Source oder API‑basiert, jedoch technisch anspruchsvoll und für Betreiber ohne IT‑Teams kaum eigenständig nutzbar.
Hier zeigt sich die Lücke. Die Branche hat produktisierte Werkzeuge, aber keine Produktlogik: Plattformen für Spezialisten, keine Produkte für Betreiber.
Genau dort setzt VION als vollwertige, aber intuitive Plattform an. Sie kombiniert die Tiefe industrieller Systeme mit der Einfachheit eines Endprodukts. Entscheidungen dort, wo sie gebraucht werden ohne Projektkarriere, ohne Fachabteilung.
Viele der genannten Plattformen stammen zwar aus der Welt großer Industrieprojekte: umfassend, mächtig, aber oft aufwändig in der Einführung. Trotzdem zeigt sich ein Trend: Anbieter öffnen ihre Systeme, schaffen modulare Einstiege und senken Hürden für kleinere Betreiber. Dennoch bleibt der Markt stark integrationsgetrieben, weil die meisten Lösungen für Konzerne und komplexe Netzwerke gedacht sind.
Hier entsteht Raum für neue Ansätze: leichtgewichtige Plattformen, die ohne Großprojekt auskommen und trotzdem tief in die Steuerung eingreifen können.
VION bewegt sich genau in diesem Feld – eine Entscheidungsebene, die den industriellen Maßstab mit der Flexibilität eines Produkts verbindet. Ein Gateway, eine Verbindung, eine Oberfläche.
Entscheidungen dort, wo sie gebraucht werden. Ohne monatelangen Rollout, ohne IT‑Abteilung.
Vom Sehen zur Handlung
Die Herausforderung ist, bestehende Anlagen nicht zu ersetzen, sondern sie nachrüstbar entscheidungsfähig zu machen. Hier liegt der nächste Entwicklungssprung:
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Regelwerke statt Skripte: Logiken, die sich an Betriebszustände anpassen.
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Edge‑Intelligenz: Systeme reagieren lokal, auch ohne Cloud‑Verbindung.
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Auditierbarkeit: Jede Reaktion wird dokumentiert und nachvollziehbar.
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Interoperabilität: Herstellerunabhängige Integration bestehender Sensorik.
Beispiele aus dem Energiesektor zeigen das Potenzial: Netzbetreiber in Skandinavien automatisieren Trafostationen über Regelwerke, die Spannung, Temperatur und Lastabwurf lokal steuern. So sinkt die Reaktionszeit auf Netzschwankungen von Minuten auf Sekunden. In der Schweiz nutzt ein Versorger smarte Regelmodule, um Batteriepuffer ohne menschliche Eingriffe in Echtzeit zu aktivieren, sobald das Netz instabil wird.
Die technologische Richtung ist klar: Der Mensch bleibt Entscheider, aber Systeme übernehmen das Denken im Millisekundenbereich.
Industrie 4.0 war der Traum vernetzter Maschinen. Industrie 5.0 ist die Realität vernetzter Entscheidungen.
Fazit
Der blinde Fleck der Digitalisierung liegt nicht im Mangel an Sensorik, sondern im Mangel an Reaktion. Die Zukunft industrieller Infrastruktur entsteht dort, wo Systeme handeln, nicht nur melden.
In dieser Landschaft positioniert sich VION als neue Entscheidungsebene für Betreiber kritischer Infrastruktur. Die Plattform verbindet Sensorik, Regelwerk und Auditfähigkeit zu einer Einheit: lokal reaktionsfähig, zentral nachvollziehbar.
Anders als klassische IoT‑Lösungen liefert VION keine Beobachtung, sondern Betriebssicherheit und Entscheidungen im Millisekundenbereich, dokumentiert im Auditlog.
Damit wird der industrielle Alltag nicht durch mehr Daten, sondern durch mehr Klarheit steuerbar.
