Das Industriezeitalter hat Europa zur Werkbank der Welt gemacht. Doch mit Sensorik und Digitalisierung ist aus Produktion ein Datenspiel geworden. In Zehntausenden Werken, Anlagen und Infrastrukturprojekten zählt und misst man heute alles: Temperaturen, Vibrationen, Energieverbräuche, Laufzeiten, Wartungszyklen. Die Statistik ist beispiellos – doch die Logik fehlt oft. Wer heute nur zählt, hat meist keine Kontrolle. Die Zukunft entscheidet jetzt: Wer Regeln setzt, gewinnt.
Die Statistik-Falle: Messen ohne Handeln
Im Maschinenraum der Digitalisierung wird permanent gemessen. Jede Produktionslinie, jedes Ventil, jede Pumpe sendet Daten. Dashboards zeigen Zustände, Trends, Schwellenwerte. Doch während die Transparenz zunimmt, bleibt die Aktion oft aus.
Beispiel aus der Energieversorgung: Ein Leitsystem meldet Überhitzung, das Protokoll notiert das Ereignis, aber niemand handelt – weil keine Logik hinterlegt ist, was zu tun ist. So vergeht wertvolle Zeit, Daten werden archiviert, aber nichts passiert.
Stichwort Alarmmanagement: Studien belegen, dass über 60 % aller Warnmeldungen in Leitständen ignoriert werden. Am Ende ist Statistik gut für KPIs und Monatsberichte – aber gefährlich, wenn Anlagen wirklich reagieren müssten. Ohne abbildbare Regeln bleibt Reporting das Maximum, Handlungsfähigkeit das Ziel.
Logik macht aus Daten Handlungen
Der wirkliche Qualitätssprung ist, wenn aus Zahlen Regeln werden. Entscheidungslogik (Decision Automation) heißt: Aus „Temperatur > 80 °C“ wird ein exaktes, reproduzierbares Systemverhalten: Die Pumpe wird gedrosselt, der Wartungsdienst informiert, der Alarm dokumentiert, vielleicht ein Sicherheitsprotokoll aktiviert. Das Prinzip ist einfach – und genial: Wenn-Dann-Logik, die Kontext, Ziel und Aktion verbindet:
- Schwellenwert-Erkennung: Alarm entsteht nur, wenn die Regel ausgelöst wird (z. B. Temperatur, Druck, Stromverbrauch).
- Kontextabhängigkeit: Situationen lassen sich nach Tageszeit, Betriebslast, Produktionsstatus unterscheiden.
- Eskalationsmanagement: Regeln legen fest, wie Alarme weitergegeben werden; die Integration in Wartungssoftware oder Ticketing ist automatisierbar.
Systeme und Plattformen: Bewertung moderner Ansätze
Heute nutzen innovative Unternehmen ein breites Spektrum an Entscheidungsplattformen:
- DMN (Decision Model and Notation) – Industriestandard für Entscheidungslogiken in klaren, tabellarischen Modellen. Statt komplexem Code werden Regeln visuell dargestellt – nachvollziehbar, prüfbar und dokumentiert. In der Praxis kommt DMN etwa in automatisierten Freigabeprozessen zum Einsatz: Ein Produktionssystem prüft, ob alle Qualitätsparameter eines Bauteils innerhalb der Toleranz liegen. Ist das der Fall, wird die Freigabe erteilt, andernfalls automatisch ein Prüfauftrag erzeugt. Jeder Schritt bleibt revisionssicher gespeichert. Damit bietet DMN die perfekte Balance aus Transparenz und Kontrolle – ideal für regulierte Branchen wie Automotive oder Pharma.
- BPMN-Engine – beschreibt Abläufe grafisch und ermöglicht, Mensch, Maschine und Software zu verknüpfen. Eine BPMN-Engine wie Camunda übernimmt die Steuerung dieser Abläufe und sorgt für durchgängige Automatisierung – vom Start eines Prozesses bis zum Ergebnis. Beispiel: In einer Fertigung löst ein Qualitätssensor automatisch einen Workflow aus. Camunda steuert die Benachrichtigung an den Schichtleiter, dokumentiert den Vorgang, ruft ein externes Prüfskript auf und legt die Ergebnisse im ERP-System ab. Das Ergebnis ist eine nahtlose, auditierbare Prozesskette mit klaren Verantwortlichkeiten.
- No-Code-/Low-Code-Automatisierung – ermöglicht Fachabteilungen, Automatisierungen selbst zu gestalten – ohne Programmierkenntnisse. Über grafische Oberflächen werden Workflows per Drag & Drop erstellt, getestet und ausgerollt. Typisches Beispiel: In einem Logistikunternehmen konfiguriert die Disposition eine Regel, die bei verspäteten Lieferungen automatisch Ersatztransporte bucht und Kunden informiert. Der große Vorteil: Ideen lassen sich binnen Stunden statt Wochen umsetzen, Pilotprojekte schnell skalieren. Dadurch entstehen neue Freiheitsgrade – IT wird entlastet, Innovation beschleunigt.
- Edge Computing – verlagert Entscheidungslogik dorthin, wo sie gebraucht wird: direkt an die Maschine oder Anlage. Entscheidend, wenn eine stabile Cloud-Verbindung fehlt oder Latenzen riskant wären. Beispiel: In einem Windpark reagiert die Steuerung an der Turbine eigenständig auf Windböen oder Temperaturspitzen, ohne erst eine Cloud-Abfrage zu starten. So bleibt die Anlage auch bei Netzunterbrechung sicher. Moderne Edge-Plattformen bieten zudem Audit-Funktionalitäten: Jede Regel, jede Aktion und jede Änderung werden lokal protokolliert. Damit vereinen sie Echtzeitfähigkeit mit Nachvollziehbarkeit – ein Muss für sicherheitskritische Umgebungen.
Praxiserprobt zeigen diese Architekturen: Systeme wie Camunda glänzen durch Workflow-Komplexität und Integrationsfähigkeit, DMN durch Nachvollziehbarkeit und Standardisierung, No-Code durch Geschwindigkeit und Benutzerfreundlichkeit und Edge Computing durch Echtzeitfähigkeit – aber bisher gibt es kaum Plattformen, die all diese Kriterien kompromisslos und aus einer Hand bieten.
Vertiefte Praxisbeispiele
Nach der technischen Einordnung der Plattformtypen wird hier deutlich, was es bedeutet, wenn Entscheidungslogik in der Praxis wirkt. Die folgenden Beispiele greifen reale Umsetzungen auf – sie zeigen, wie aus Daten handlungsfähige Prozesse entstehen, die Kosten senken, Sicherheit erhöhen und Komplexität reduzieren.
Energieoptimierung in der Kältelogistik – Lineage Logistics (USA/EU)
Lineage Logistics, einer der weltweit größten Betreiber von Tiefkühllagern, hat seine europäischen Standorte mit der Plattform Ndustrial Nsight® ausgestattet. Anstatt Defrost- oder Kühlzyklen nach festen Zeitintervallen zu steuern, werden sie heute regelbasiert angepasst: Außentemperatur, Produktart, Lagerbelegung und aktuelle Strompreise fließen in die Entscheidung ein. Die KI prognostiziert Lastspitzen und verschiebt energieintensive Prozesse automatisch in günstigere Zeitfenster. Dadurch sank die Energieintensität der Anlagen um über 30 %, und Wartungskosten konnten durch gleichmäßigere Lastverteilung deutlich reduziert werden. Das System arbeitet vollautomatisch, dokumentiert jede Regelentscheidung und ist für Betreiber über ein Dashboard transparent nachvollziehbar – ein Beispiel dafür, wie Entscheidungslogik statt Statistik reale Einsparungen schafft.
Kommunale Pumpwerke – Retrofit und Notfalllogik mit ifm moneo (Deutschland)
Ein kommunaler Wasser- und Abwasserbetrieb in Süddeutschland hat über 100 Pumpstationen mit Sensorik und ifm moneo-Edge-Gateways nachgerüstet. Früher liefen die Pumpen im Dauerbetrieb – heute regeln sie sich selbst anhand von Wetterprognosen, Füllständen und Energiepreisen. Die Logik reagiert auf definierte Szenarien: Steigt der Pegel bei angekündigtem Starkregen, werden Reserveschächte geöffnet und Notpumpen aktiviert; sinkt der Verbrauch, werden Aggregate automatisch heruntergefahren. Das System dokumentiert alle Eingriffe revisionssicher und informiert den Bereitschaftsdienst nur, wenn ein echter Eingriff nötig ist. So wurde die Zahl der Fehlalarme um 40 %, die Energieverbräuche um rund 20 % reduziert. Für den Betreiber bedeutet das mehr Sicherheit, geringere Kosten und eine neue Kultur des vorausschauenden Handelns.
Gemeinsam zeigen beide Projekte, wie Entscheidungslogik Systeme selbständig und resilient handeln lässt – unabhängig von der Branche. Ob Lebensmittelkette oder kommunale Infrastruktur: Automatisierung entsteht nicht durch mehr Daten, sondern durch kluge Regeln, die Verantwortung in Software übersetzen. Industrieproduzenten setzen auf Edge-Steuerung mit DMN-Modellen: Fehlerhafte Bauteile werden von Vision-Systemen erkannt und nach klarer Logik automatisch ausgesondert – ohne zusätzliche manuelle Entscheidung.
Vorteil für Betreiber: Kontrolle und Voraussicht
- Anlagensicherheit: Automatisierte Eskalation reduziert Ausfälle und schützt Mitarbeiter.
- Compliance: Alle Abläufe werden dokumentiert; Audit und Behördenanfragen werden zum Nebenprodukt.
- Effizienz: Ressourcen und Wartung werden bedarfsgerecht gesteuert.
- Innovation: Regelwerke können jederzeit angepasst oder erweitert werden – ohne Systemneustart.
Integratoren: Vom Projektstress zum Plattform-Service
Integratoren profitieren besonders: Einmal entwickelte Logikmodule lassen sich dank offener Standards mehrfach einsetzen. Plattformmodelle machen aus individuellen Projekten wiederholbare Services, die Margen und Qualität steigern.
Fazit: Durchgehende Integration in Echtzeit
Die Zeit der Statistik ist vorbei. Wer Logik in die Maschinen bringt, setzt den neuen europäischen Standard für Resilienz, Effizienz und Innovation. Die Bewertung moderner Automatisierungsplattformen zeigt: Einzeltechnologien (DMN, BPMN, No-Code, Edge) decken jeweils Teilszenarien ab – doch erst eine Plattform, die all das integriert, schafft ganzheitlichen Mehrwert.
VION verbindet regelbasierte Steuerung (regelbar wie DMN), umfassende Workflow-Fähigkeit (BPMN), schnelle Umsetzung (No-Code), dezentrale Echtzeitreaktion (Edge) und vollumfängliche Auditierbarkeit und Interoperabilität. Die Plattform ist retrofitfähig, skalierbar, sicher sowie rollen- und standortunabhängig zu konfigurieren – und macht aus passiven Datenströmen aktives, steuerbares Handeln.
Big Data ist wertlos ohne Smart Rules – und nur wer seine Prozesse in funktionierende Entscheidungslogiken übersetzt und dabei auf eine Plattform wie VION setzt, wird auch morgen auf dem globalen Markt bestehen. Die Zukunft entscheidet sich dort, wo Systeme nicht nur zählen, sondern handeln.
